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DIE FRAU MIT 1000 GESICHTERN

DIE FRAU MIT 1000 GESICHTERN

Englischer Originaltext: US Provinz der Gesellschaft Mariä

„Der Mai ist der Monat Mariens,“ schreibt der Dichter Gerard Manley Hopkins. Das gleiche gilt für den Oktober und den Advent. Außerdem wenden sich in jeder Jahreszeit täglich Millionen von Menschen an Maria, unabhängig davon, ob sie Christen sind oder nicht. Wie ihr Sohn wird sie gleichsam von jedem Volk unter der Sonne mit deren typischen Merkmalen verehrt. Dadurch unterscheidet sie sich von anderen edlen Frauen der großen Weltreligionen: Die Göttin Kali wird niemals ihr indisches Aussehen verändern. Amaterasu, die wie die Sonne scheint, bleibt als Japanerin im Mittelpunkt des Shinto Pantheons. Wenn auch Kwanon, die Göttin der Barmherzigkeit, in verschiedenen Gestalten erscheinen mag und unter verschiedenen Namen überall im Orient angefleht wird, werden ihre asiatischen Wurzeln niemals in Zweifel gezogen. Und trotz der Niederlage ihres Volkes, gibt Tozi niemals ihre aztekischen Charakterzüge preis. Von all diesen Frauen scheint nur Maria, die gläubige Jüdin, fähig zu sein, überall Anklang zu finden und die Vorstellungskraft sowie die Herzen der Künstler und Menschen zu gewinnen. Gewiss ist dies ein Zeichen ihrer Katholizität = Universalität.

Wodurch kann eine solch universale Anziehungskraft erklärt werden? Laut Mary Gordon, einer zeitgenössischen Schriftstellerin, „… sehen wir in der menschlichen Gestalt Marias, der Mutter und Königin, unsere tiefsten Sehnsüchte, der Verheißung der Rettung, der Erlösung von der Last des Fleisches verkörpert.“
Das kann sein, … kann aber auch nicht sein. Gewiss wenden sich viele, die sich nach Schutz sehnen, an sie. Einige mögen den Rosenkranz belächeln, der über einem Rückspiegel in einem Auto in San Franzisko hängt, aber eine solche Praxis, die als Volksglauben [ab]gewertet wird, spricht ein tiefes Anliegen aller an. Wir brauchen Geborgenheit, wir können nicht für uns selbst auf den Autobahnen und Straßen dieser begrenzten Welt sorgen. In Kisumu, einer kleinen Stadt auf dem Weg zwischen unserer Marianistenmission in Kitale und dem Scholastikat in Nairobi, sah ich einen Rosenkranz, der von einem Rückspiegel baumelte. Ich meinte zu meinem Begleiter, Bruder Michael Mureu, dass die Autobesitzer Katholiken sein müssten. Er lachte und sagte mir, dass viele Afrikaner, nicht nur Katholiken oder Christen, den Rosenkranz als Schutz gegen Unheil verwenden.

Ungefähr 350 Kilometer südlich von Chennai (Madras, Indien) steht das Heiligtum der Annai Vailankanni, der Mutter von Vailankanni oder von Unserer Lieben Frau vom Guten Heil. Im Januar donnerte der katastrophale Tsunami gegen die Küsten, wo dieses Heiligtum steht, es blieb aber unbeschädigt. Im sechzehnten Jahrhundert errichtet, ist es heute als das „Lourdes von Südindien“ bekannt; als ein Zufluchtsort des Schutzes und der Heilung. Zwischen 15 und 20 Tausend Menschen besuchen das Heiligtum jährlich während der elf Feiertagen der Annai. Er ist nur einer der vielen Marienwallfahrtsorte, die sich um die ganze Welt - von Guadeloupe über Walsingham und Tschenstochau bis nach La Vang in Vietnam - erstrecken.

Während des vergangenen Sommers versammelten sich rund 6000 Männer, Frauen und Kinder im Gebet und waren in Gemeinchaft auf dem Gelände des Marienheiligtums außerhalb Lusakas in Sambia vereint. Fünfundzwanzig Jahre lang hat der Marianist Anthony Jansen, ein tatkräftiger Achtzigjähriger, mit der Erzdiözese zusammen am Bau dieses Heiligtums gearbeitet. Obwohl schon viel getan worden ist, müssen noch viele Bauten fertiggestellt werden, und der nimmermüde Pater Tony tut alles, um die Menschen für dieses Anliegen zu interessieren. Zusätzlich zu dieser jährlichen Pilgerfahrt versammeln sich jeden Monat verschiedene Sponsoren der Kirchengemeinde an der Stätte. Das Gelände spendet nicht nur geistige Nahrung, erklärt Pater Jansen, sondern es bietet den Armen der Stadt einen Ort, „um Frieden zu finden; eine Chance, um aus den überfüllten Verhältnissen ihrer Heime und Wohngegenden weg zu kommen, …. die Armen brauchen geistige Zufluchtsorte der Erholung, … Orte der Schönheit … Orte, wo sie Symbole in Stein, Mosaik und in Farbe finden können, die sie klar und unverkennbar an ihren Sinn und ihre Bedeutung als Mensch und als Christ erinnern. Darum geht es bei der Evangelisierung von einem Heiligtum aus, besonders in einem armen Land der dritten Welt.“

Selbst im kommunistischen China können Marien Heiligtümer gefunden werden. In Tianjin steht auf dem Campus der einhundertjahre alten Kathedrale des heiligen Nikolaus, die nun ein Teil der patriotischen Kirche ist, eine Replik der Grotte von Lourdes. Zwischen der Kirche und einem religiösen Buchgeschäft gelegen, machen die Leute dort eine Gebetspause, wenn sie sich auf dem Weg zur Messe befinden.

Maria und ihr Kind waren es, die den vielleicht international bekanntesten chinesischen christlichen Künstler und Professor an der Nanjing Universität He Qi inspirierten. Als Schüler an einer Mittelschule war er in ein maoistischen Arbeitslager in einer ländlichen Gegend eingesperrt. Um anstrengender Arbeit zu entgehen, fing er an, Bilder von Mao zu malen, die zu jener Zeit sehr begehrt waren. „Eines Tages,“ sagte er, „stieß ich zufällig auf ein sehr altes Exemplar eines Magazins mit einem Bild des Gemäldes Madonna mit Kind von Raphael. Ich wurde in höchstem Maße von diesem Gemälde ergriffen.

Zur Zeit der Kulturrevolution herrschte eine Atmosphäre des Kampfes, des Hasses, der Kritik. Ringsherum konnte man nur Bilder des Kampfes und der Kritik sehen. Es war schwierig irgendwelche Friedensbilder zu finden. Sie können sich daher vorstellen, wie ich mich fühlte, als ich dieses Bild mit der lächelnden Madonna und dem kleinen Jesuskind sah, das mich auch anlächelte. Ich war zutiefst ergriffen und berührt und spürte ein großes Gefühl von Frieden. Danach fertigte ich bei Tag Porträts des Vorsitzenden Mao und spät in der Nacht machte ich einige Zeichnungen und Ölgemälde der Madonna mit dem Kind. Einige dieser Kopien gab ich Freunden, um auch sie zu ermutigen. Bis zum heutigen Tag bewahre ich noch einige jener Ölgemälde auf und kürzlich sagte mir eine berühmte Schriftstellerin, die während jener Zeit meine Nachbarin gewesen war, dass sie noch immer eine der Madonna mit dem Kind Zeichnungen hat, die ich ihr damals gab.“

Erst viel später wurde Qi Christ. Er glaubt, dass die chinesischen Künstler heutzutage „durch die christliche Botschaft veranlasst werden, typische chinesische Wege zu entwickeln, um unserem universalen Glauben Ausdruck zu geben.“ Im Grunde genommen haben das die Künstler Jahrhunderte hindurch in ihren eigenen Ländern und Kulturen getan. Dies ist ebenso die Herausforderung, der sich die Marianisten und alle Missionare in Korea, Indien, Mexiko und Ostafrika stellen müssen. In einer Welt, wo es wenig zu lächeln gab, war es das Lächeln, das He Qi zu Maria und Jesus zog. Wie er sagte, wurde er durch den Frieden angezogen, der sich in deren Angesichtern spiegelte. Die Gegenwart des Friedens, der Güte oder der Schönheit hat die Kraft, von uns Besitz zu ergreifen und uns aus dem Weltschmerz, dem Leid und dem Schmerz hoch zu heben. Überall in der Welt fühlen sich die Menschen von der Schönheit Marias, die in den farblosen Worten „Unbefleckte Empfängnis“ zusammengefasst ist, angezogen. Ihr wunderschöner Frieden erwächst aus einer doppelten Innerlichkeit. Erstens war sie seit dem Augenblick ihres Daseins durch Gottes Plan eine Frau, die vollkommen auf Gott ausgerichtet war. Niemals richtete sich ihr Herz wegen irgendetwas nach innen, sondern es wendete sich nimmer nach außen zu den anderen, zu Gott. Biblisch gesprochen war sie die Eine, deren „Wesen den Herrn verherrlicht“ und „deren Geist sich im Herrn, ihrem Erlöser erfreut.“

Zweitens herrschte vollkommene Eintracht zwischen dem, was in ihrem Geist und ihrem Herzen war, und wie sie es in die Tat umsetzte. In ihr gab es keine Vortäuschung. Ihre Schönheit strömte aus ihrer Authentizität. Die Menschen spüren, dass „man mit ihr die 'Wahrheit' bekommt, nichts ist falsch oder verdorben - ihre Demut, ihre Empfindsamkeit, ihre Besorgnis und ihr Handeln sind echt. Aber die Menschen wissen auch, dass dieses Bewahren vor der Sünde sie nicht vor den Freuden, den Schmerzen, den Leiden und Sehnsüchten geschützt hat, die das Leben auf dieser Welt in sich birgt. Im Gegenteil hat es ihre Empfindsamkeit erhöht. Je menschlicher man wird, umso stärker fühlt man, was es heißt, Mensch zu sein. Dies ist sowohl die Gabe als auch die Last der Gnade, die „Unbefleckte Empfängnis“ heißt.

Unabhängig davon, welche Hautfarbe sie haben mögen, Frauen spüren, dass Maria das Geheimnis, die Entzückung und Ehrfurcht einer Geburt kennt. Viele identifizieren sich mit ihr bei der Flucht, im Exil oder wenn sie verzweifelt ein verloren gegangenes Kind suchen. Maria weiß auch, was es bedeutet, wenn Kinder das Haus verlassen; sie gehen zu lassen, damit sie das werden können, was sie werden sollen. Zur gleichen Zeit hat sie erfahren, worin oftmals die Gabe dieser Freiheit seitens der Eltern resultiert: dass sie von ihrem eigenen Fleisch und Blut manchmal ignoriert oder sogar abgelehnt werden. Eltern sowohl von Märtyrern als auch von Verbrechern finden Trost darin, dass sie, die außerhalb der Stadttore am Rande der Gesellschaft gestanden ist und ihr Kind sterben sieht, bei ihnen ist. Mit ihnen zusammen ist sie wehrlos, gebrochenen Herzens, erniedrigt, mit Fragen gequält, ohne eine Antwort zu haben. Für sie ist sie stark in ihrer ausdauernden Ruhe trotz Zurückweisung, ohne eingeschüchtert zu werden. Ihre Entschlossenheit, unter dem Leid des Kreuzes nicht nur den schrecklichen Tod ihres Sohnes auszuhalten ohne zusammenzubrechen, sondern auch die schreckliche Forderung des Gesetzes still zu ertragen, dass jeder, der an einen Baum gehängt wird, von Gott verflucht wird, ist ihnen Vorbild. Junge Ehepaare, die die Geschichte von Kana gehört haben, können sich die Gefühle vorstellen, die sie dazu gebracht haben, zugunsten der Braut und des Bräutigams zu sprechen. Auch Maria war einst jung und verliebt; dem Gerede des Dorfes ausgesetzt als sie durch den Willen Gottes auf wundersame Weise schwanger wurde, bevor sie und ihr Mann in der Ehe zusammenkamen. Aus Erfahrung weiß sie, wie wichtig die Anfänge der Ehe sind, und sie hat alles getan, um das neu verheiratete Paar von Kana aus der Verlegenheit zu helfen als ihnen der Weins ausging.

Als Frau vom Land betet sie, dass Gott die Hungrigen mit seinen Gaben beschenkt und die Mächtigen vom Thron stürzt. Deshalb beanspruchen die Armen und die Unterdrückten sie nicht nur als ihre Verteidigerin, sondern als jemand, der ihnen in Kämpfen zur Seite steht. Die Heiligen verstehen, dass sie einen außergewöhnlichen Einbruch Gottes in ihrem Leben erfahren hat, eine Gnade, die alles umwandelte. Eine Gnade, die von ihr in Freiheit gegebene totale Abhängigkeit verlangte; eine Gnade, die ihr um ihretwillen und um unser aller willen für ihre Heiligung und die Sendung Christi geschenkt wurde und die ihr anvertraut ist.

Diese Mission sollte nicht nur der Kanal sein, durch den die unendliche Gnade in Christus Fleisch geworden ist. Aufgrund ihrer Empfängnis in Gott und in der Zeit und im Sinne von allem, was das einschließt, wurde sie dazu beauftragt, betraut und berufen, der Natur des Einen, der Mensch sein kann, wie nur Gott es kann, Form zu geben. Von der Gnade erfüllt, erreichten ihre Zuneigungen, Haltungen, Entscheidungen, Gedanken, Neigungen und Verhaltensweisen alle letztlich ihr Ziel, vollendeten ihre Endgültigkeit und fanden ihren Fokus in Gott, von dem sie stammen und zu dem sie zurückkehrten.... Mit anderen Worten, sie wurde mit der Erziehung Jesu, dem Christus betraut.

Und gemäß des Johannesevangeliums endete ihre Berufung, Mutter zu sein, nicht mit dem Tod Jesu. Aufgrund der Worte Jesu vom Kreuz wurde ihr aufgetragen, die Mutter jedes geliebten Jüngers zu sein. Seit dem Beginn der Familie Marias (Marianisten) im Jahre 1800 haben sich die Marianisten zur Mitwirkung an dieser Sendung Mariens verpflichtet. Dazu gehört, dass sie jene, mit denen sie verbunden sind oder denen sie dienen, so bereichern, dass Christus in ihnen zum Vorschein kommt. Aus diesem Grund betrachten die Marianisten jeden Dienst, den sie verrichten als Werk der Erziehung: die Kultivierung der Gewohnheiten des Geistes und des Herzens, die integrierte Reifung der Potentiale des Körpers und der Seele, die alle durch den Geist Christi beseelt, durchdrungen und belebt werden sollen.
Eine Möglichkeit, die die Marianisten angestrebt haben, um ihre Mission in Korea zu erfüllen, besteht im Errichten einer marianischen Bibliothek. In Seoul gelegen und angeregt durch die weltberühmte MARIAN LIBRARY der Universität von Dayton, strebt die Bücherei an, ein Zentrum für Forschung und akademische Seminare zu werden. Zur gleichen Zeit hofft sie, eine tiefe und authentische Marienverehrung im koreanischen Volk zu fördern. Wie alle Marianisten so glauben die koreanischen Brüder, Schwestern und die Laienfamilie der Marianisten, dass eine wahre Kenntnis über und eine Verehrung von Maria zur treuesten Nachfolge Jesu führt. Die Frau mit den tausend Gesichtern weist unweigerlich die Menschen jeder Rasse, jeder Sprache und Lebensweise auf Christus hin.

All About Mary includes a variety of content, much of which reflects the expertise, interpretations and opinions of the individual authors and not necessarily of the Marian Library or the University of Dayton. Please share feedback or suggestions with marianlibrary@udayton.edu.